Rund 13'000 Jugendliche schlossen 2023 im Kanton Zürich einen Lehrvertrag ab. Einer davon ist Andrii aus der Ukraine, der den Kurs «START! Berufsbildung» an der EB Zürich absolvierte. Im Bericht erzählt er von seinem Einstieg in die Schweizer Berufswelt.
«An meinem ersten Arbeitstag war ich sehr nervös. Ich wusste nicht, was mich erwartet», erzählt Andrii. Der 17-Jährige war im Sommer 2022 mit seiner Mutter und seiner Schwester aus Charkiw in der Ukraine in die Schweiz geflüchtet. Nach seiner Ankunft besuchte er zuerst die Aufnahmeklasse an einer Zürcher Volksschule und bereitete sich anschliessend im Kurs «START! Berufsbildung» auf das Berufsleben vor. Während fast einem Jahr lernte er gemeinsam mit elf anderen ukrainischen Jugendlichen intensiv Deutsch, aber auch Mathematik sowie Informations- und Kommunikationstechnologie.
Im Fach «Arbeiten in der Schweiz» setzte sich Andrii mit der Schweizer Berufsbildung auseinander und plante gemeinsam mit Laufbahnberater Stefan Schuhmacher seine nächsten Schritte. Er entschied sich für eine Lehre als Automatiker. Ein wichtiger Beweggrund war für ihn der Bundesratsbeschluss vom März 2023. Dieser besagt, dass ukrainische Jugendliche in der Schweiz eine Berufslehre machen und auch dann beenden dürfen, wenn der Schutzstatus S vor dem Ende der Lehrzeit aufgehoben werden sollte. «Ich wollte sicher sein, dass ich die ganzen vier Jahre hier lernen und die Ausbildung fertig machen kann.»
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«Im Kurs ‘START! Berufsbildung’ wurden wir in allen Fächern auf Deutsch unterrichtet. Das hat mir sehr geholfen.»
Berufslehre anstatt Studium
Mit dem Entscheid schaffte der Bundesrat mehr Planungssicherheit für Lehrbetriebe und Lernende. Sie sollten eine gute Ausbildung absolvieren können – auch im Hinblick auf die Rückkehr in ihr Heimatland. Trotzdem starteten im Sommer 2023 nur wenige ukrainische Jugendliche mit einer Berufslehre. Eine grosse Hürde ist für sie die Sprache. Zudem ist die duale Berufsbildung bei den Jugendlichen aus der Ukraine kaum bekannt: Während in der Schweiz die Mehrheit aller Jugendlichen eine Lehre absolviert, findet die Berufsbildung in der Ukraine fast ausnahmslos schulisch statt. «Es ist daher eine wichtige Aufgabe von uns Lehrpersonen, die Jugendlichen zu sensibilisieren, dass die Berufslehre in der Schweiz einen hohen Stellenwert hat», sagt Dominique Sandoz Mey, Kursleiterin im Programm «START! Berufsbildung».
Viele Bewerbungen, oft keine Antwort
Auch Andrii möchte eines Tages studieren, wie dies in der Ukraine sein Plan gewesen war. «Später möchte ich Ingenieur werden, wie mein Vater. Die Lehre als Automatiker ist eine ideale Basis dafür.» Um eine Stelle zu finden, schrieb er rund 50 E-Mails – die meisten blieben unbeantwortet. Beim Ausbildungszentrum Winterthur (azw) hatte er Glück: Der Ausbildungsverantwortliche Florian Pallmann lud ihn zum schulischen Eignungstest ein – ein Standardverfahren für alle, bei denen aus den Unterlagen nicht klar hervorgeht, ob sie sich schulisch für einen bestimmten Beruf eignen. «Bei Bewerber/innen aus der Ukraine besteht eine gewisse Unsicherheit, was ihre Zeugnisse auf unser Schulsystem übersetzt bedeuten, deshalb laden wir sie zum Test ein», so Pallmann. Andrii habe dabei überzeugt, weshalb ihm das azw eine Schnupperlehre und danach einen Lehrvertrag anbot.
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«Bei der Auswahl der Bewerber/innen spielt die Herkunft keine Rolle. Die Person muss einfach Interesse haben und passen für die Lehrstelle.»
600 Lernende aus 38 Nationen
Das azw bildet an seinen drei Standorten Winterthur, Uster und Langenthal rund 600 Lernende aus 38 Nationen aus, darunter drei aus der Ukraine. Die grösste Herausforderung bei der Ausbildung von Lernenden mit Migrationshintergrund ist laut Florian Pallmann die Kommunikation. «Letztlich ist die Sprache der Schlüssel zum Erfolg.» Damit Andrii optimal starten konnte, organisierte er ihm ein dreimonatiges Vorbereitungspraktikum im Betrieb. So konnte er sich schon vor der Lehre mit der Terminologie des Berufes vertraut machen und erste Schritte machen. «Ein solches Praktikum oder eine Integrationsvorlehre sehe ich als hilfreiche Instrumente an, damit der Einstieg in die Schweizer Berufswelt für Geflüchtete gelingt», so Pallmann. Sein Tipp für die Lehrstellensuche? «Die Jugendlichen sollen bei der Bewerbung ihre Begeisterung für den Beruf zeigen.» Und welchen Tipp gibt Andrii? «Nicht aufgeben. So viele E-Mails wie möglich schicken. Je mehr man schickt, je grösser ist die Chance. Und Zeugnisse mitschicken. Ich glaube, das hilft sehr.»