Am 1. November 2023 hat Stephan Berndt sein neues Amt als Rektor der EB Zürich angetreten. Welche Themen ihn aktuell beschäftigen und wo er die Schule in fünf Jahren sieht, verrät er im Gespräch.
Stephan, du kommst ursprünglich aus dem Finanz- und Rechnungswesen und warst als Treuhänder tätig. Was hat dich in die Bildung verschlagen?
Nachdem ich den eidgenössischen Fachausweis Finanz- und Rechnungswesen abgeschlossen habe, eröffnete ich mein eigenes Treuhandbüro. Auf Umwegen kam ich zu einer Nebentätigkeit als Lehrer bei einer privaten Handelsschule. So konnte ich zu Beginn meiner Selbständigkeit die Fixkosten decken. Schlussendlich unterrichtete ich mehr als zehn Jahre, da mir die Arbeit mit den Schülern viel Freude bereitete. Dann hörte ich auf, weil ich andere Prioritäten hatte. Einige Jahre später hörte mich der damalige Prorektor des KV Wetzikon an einem Vortrag und bot mir eine Stelle an. Ich spielte schon länger mit dem Gedanken, wieder als Lehrer tätig zu sein. So stieg ich zuerst Teilzeit in der Weiterbildung ein, bevor es mir den Ärmel ganz hineinzog.
Was gefällt dir an der Bildung?
Ich arbeite gerne mit Menschen zusammen und finde es spannend, ihnen Wissen weiterzugeben und sie zu beraten. Die Rückmeldungen, die man als Lehrperson oder Rektor erhält – das ist extrem lässig und aufbauend.
Du blickst heute auf eine langjährige Erfahrung als Berufsschullehrer und Dozent zurück und warst zuletzt Rektor der Wirtschaftsschule KV Wetzikon. Wovon kannst du in deiner neuen Position besonders profitieren?
Ein Vorteil ist sicher, dass ich weiss, wie das Bildungssystem des Kantons aufgebaut und in der Bildungslandschaft verankert ist. Zudem kenne ich die Ansprechpersonen im Mittelschul- und Berufsbildungsamt und bin mit ihnen gut vernetzt. Abgesehen davon ist es schwierig zu beurteilen, weil die EB Zürich ein ganz eigenes Fachgebiet abdeckt. Davor habe ich Respekt. Es wäre falsch zu sagen: Ich kenne das Amt als Rektor und gut ist.
Was sind die ersten Themen, die Du bei der EB Zürich angehen wirst?
Intern möchte ich das System besser kennenlernen und verstehen, wie es funktioniert. Gegen aussen sehe ich es als eine wichtige Aufgabe an, das Profil der Schule zu schärfen. Ich stelle fest, dass Externe oft noch das Bild der alten EB Zürich im Kopf haben. Doch das Angebot hat sich seit der Neupositionierung 2019 komplett verändert. Die Leute sollen die EB Zürich so wahrnehmen wie sie heute ist und nicht immer mit der Schule von früher assoziieren.
Heute bietet die EB Zürich Dienstleistungen und Kurse in den Bereichen Integration, Grundkompetenzen und Berufsbildung an. Wo siehst du die Schule in fünf Jahren?
Diese Frage kam bereits beim Vorstellungsgespräch (lacht). Die EB Zürich ist in Nischen tätig – und ich glaube, es gibt viele davon, immer wieder. Unser Job ist es, sie rechtzeitig zu erkennen und darauf zu reagieren. Stand heute sehe ich die Schule auch künftig im Bereich der Grundkompetenzen bis in die Erwachsenenbildung – aber das kann sich laufend ändern. Wir müssen stets neue Möglichkeiten prüfen. Wir haben ja nicht einen bestimmten Beruf zugewiesen wie andere Schulen, bei denen es heisst, ihr bildet KV-Lernende, Köche oder Detailhandelsangestellte aus.
Wo liegen für dich die grössten Herausforderungen?
Eine grosse Herausforderung sehe ich darin, die EB Zürich im Kanton so zu positionieren, dass sie ihre Berechtigung nachweisen kann. Es gibt immer wieder Diskussionen, weil andere Schulen plötzlich in der gleichen Nische tätig sein möchten – aktuell etwa bei der Integrationsvorlehre (INVOL). Hier müssen wir uns klar positionieren und sagen «nein, das ist unser Job – ihr habt ein anderes Zielpublikum».
Die Arbeit eines Rektors ist fordernd; wie sorgst du für eine ausgewogene Work-Life-Balance? Welche Themen beschäftigen dich neben deiner Arbeit?
Das tönt jetzt altmodisch, aber entspannen kann ich mich am besten zu Hause bei meiner Familie. Meine Frau und ich haben zwei Jungs (16 und 19 Jahre) und sind seit 20 Jahren glücklich verheiratet – das ist heute keine Selbstverständlichkeit mehr. Den Entscheid, mich für diese Stelle zu bewerben, haben wir gemeinsam getroffen. Im Moment verbringe ich zudem viel Zeit mit meiner Dissertation. Das ist – wenn man es so sagen möchte – mein aktuelles Hobby (lacht).
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Folgende Stationen hat Stephan Berndt in seiner bisherigen beruflichen Karriere durchlaufen:
- KV-Lehre und Höheres Wirtschaftsdiplom und eidg. Fachausweis als Fachmann im Finanz- und Rechnungswesen
- Bachelor of Science ZFH in Wirtschaftsrecht (ZHAW, 2008)
- Berufsfachschullehrer in Wirtschaft und Gesellschaft (PH Zürich, 2014)
- Dozent Höhere Fachschule im Nebenberuf (PH Zürich, 2014)
- Master of Laws in International Business Law (University of Liverpool, 2018)
- Diplomierter Berufsfachschullehrer in Wirtschaft und Recht (EHB Bern, 2019)
Der 52-Jährige führte während 14 Jahren ein eigenes Treuhand- und Revisionsbüro. Seine Lehrtätigkeit begann er vor über zehn Jahren als Berufsfachschullehrer im Fach Wirtschaft und Gesellschaft an der Wirtschaftsschule KV Wetzikon. Dort wurde er 2016 zum Berufsfachschullehrer mit besonderen Aufgaben gewählt und übernahm vier Jahre später an der gleichen Schule die Funktion des Rektors. Die Wirtschaftsschule KV Wetzikon wurde mit Beginn des Schuljahrs 2023/2024 in die Berufsfachschule Uster (BFSU) integriert.