Das im Dezember 2021 lancierte «Botschafterprojekt» soll die breite Öffentlichkeit auf mangelnde Grundkompetenzen aufmerksam machen. Vier direkt Betroffene werden über ihre eigenen Erfahrungen berichten und bereiten sich in einem Medientraining auf diese für sie neue Aufgabe vor.
Mühelos lesen und schreiben, im Alltag Rabatte ausrechnen oder mit einer App ein Zugticket lösen zu können ist für viele Menschen keine Selbstverständlichkeit. Mit dem «Botschafterprojekt» sollen die breite Bevölkerung und vor allem direkt Betroffene angesprochen werden, denn: Es gibt Möglichkeiten, diese Unsicherheiten anzugehen.
Vier ganz unterschiedliche Teilnehmende an Kursen und Angeboten der Lernstuben im Kanton Zürich – Jacqueline, Gregor, Nicolas und René – geben ihre Erfahrungen weiter. Sie erzählen, wie und wo sie sich haben unterstützen lassen und wie sie z. B. gelernt haben, besser Deutsch zu sprechen oder E-Mails zu schreiben und zu verschicken.
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«Unsere Botschafter wissen, dass es für manche schwierig ist, sich auf Kurse einzulassen und nicht an bewährten Ersatzstrategien festzuhalten. Deshalb motivieren sie durch ihr Beispiel andere Betroffene zum Weiterlernen und dem Besuch von Kursen.»
Um bei ihrer Sensibilisierungsarbeit kompetent mit Medienvertretern umgehen zu können, erarbeiteten sie zusammen mit Medientrainer Thomas von Grünigen an drei Abenden Empfehlungen und übten sie mit ihm ein:
- keine Angst vor einem Interview haben
- authentisch sein und sachlich bleiben
- Journalisten briefen, damit sie verstehen, worum es geht
- Interviews gegenlesen und
- Nein sagen – bis hierher und nicht weiter
Doch wer sind die vier Botschafter, die mit ihren Geschichten den Weg in die Öffentlichkeit wagen und andere animieren möchten, sich ebenfalls ihren Unsicherheiten zu stellen?
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«Ich kenne viele Leute in der gleichen Situation, die Deutsch lernen oder einen Computerkurs machen wollen, und ich will diese Leute unterstützen.»
Jacqueline (47) stammt aus Peru, lebt seit 17 Jahren in der Schweiz und hat zwei Kinder; zuerst arbeitete sie in der Reinigungsbranche, später in der Küche einer Kindergrippe und seit November 2021 ist sie als Pflegehelferin in einem Altersheim tätig, wofür sie in Deutsch mindestens Niveau B1 vorweisen musste. Ihre Motivation: die Dankbarkeit von Menschen, wenn sie ihnen hilft.
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«Man lernt in der Lernstube mehr als man glaubt; mir gingen die Augen auf.»
Gregor (62) ist gelernter Koch, verheiratet und Vater zweier erwachsener Töchter; er sucht derzeit eine neue Stelle und arbeitet alle zwei Wochen am USZ als Freiwilliger. Er hilft Patienten, sich auf dem grossen Areal zurechtzufinden. Sein Aha-Erlebnis: der Unterschied zwischen DAS und DASS.
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«Du musst Freude haben an der Sache, sonst bringt es nichts.»
Nicolas (38) hat eine EFZ-Lehre als Maurer gemacht und arbeitet im Raum Zürich bei einem grösseren Bauunternehmen. Mit Kursen zu Lesen und Schreiben möchte er beruflich weiterkommen, sowie seinen Horizont und sein Umfeld erweitern. Seine Motivation: Er will andere informieren und animieren, ebenfalls Kurse zu besuchen.
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«Das Gelernte praktisch anzuwenden, ist nicht immer einfach.»
René (Anfang 60) hat zwei erwachsene Töchter und arbeitet seit über zwanzig Jahren in einem Reinigungsunternehmen. Seine Töchter unterstützen ihn im Umgang mit dem Computer, er möchte aber nicht auf ihre Hilfe angewiesen sein. In seiner Freizeit begleitet er Menschen mit Beeinträchtigung. Sein Highlight: Wenn er etwas nicht weiss, lernt er gerne mit Youtube-Videos; z.B. wie er seinen Rosmarin richtig giessen muss.
Gregor und René haben bereits erste Interviews gegeben und auch Nicolas hat Anfragen erhalten. Weitere Aktivitäten werden sie zusammen mit der Leiterin des «Botschafterprojekts», Mirjam Wenger, in den nächsten Wochen planen. So können sie ihre positiven Erfahrungen der breiten Öffentlichkeit mitteilen und andere Betroffene dazu bewegen, an ihren Unsicherheiten zu arbeiten, indem sie eine Lernstube oder einen Kurs besuchen.