Das KV ist die meistgewählte Berufslehre der Schweiz. Per August 2023 wurde die Ausbildung komplett revidiert. Inzwischen ist das erste Lehrjahr nach dem neuen Modell zu Ende gegangen. Regula Hug, Fachverantwortliche Grundbildung KV bei der Finanzdirektion des Kantons Zürich, lässt das Jahr Revue passieren.
Regula, der KV-Beruf hat sich in den letzten Jahren verändert. Welche wichtigsten Soft Skills brauchen Kaufleute aus Deiner Sicht heute?
Gewisse Kompetenzen sind gleichgeblieben: Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit sind immer noch starke Komponenten. Wichtiger als früher sind das kritische Denken, die Kreativität, das Organisationstalent und Selbstmanagement. Die Lernenden müssen aktiver sein. Sie werden zwar von Fachpersonen angeleitet, müssen jedoch viel mehr mitdenken, Eigenverantwortung übernehmen und sich selbst organisieren – in der Schule und im Betrieb. Wenn sie das nicht von Anfang an lernen, bleiben sie auf der Strecke. Zudem müssen sie oft reflektieren und ihr eigenes Handeln selbstkritisch anschauen.
Du verantwortest die Ausbildung von rund 110 KV-Lernenden. Wie wirkt sich die Reform auf deren Berufsalltag aus?
Das ist eine spannende Frage. Die Lernenden, die nach der neuen Bildungsverordnung (BiVo) ausgebildet werden, müssen strukturierter arbeiten als ihre Vorgänger/innen. Der Fokus liegt heute auf der Entwicklung von Handlungskompetenzen. Dazu gibt es Praxisaufträge, die im Betrieb fix eingeplant und umgesetzt werden müssen. Das sind branchenübliche Arbeitssituationen, etwa ein Protokoll führen oder einen Event planen. Nachdem die Lernenden diesen Auftrag ausgeführt haben, müssen sie ihn dokumentieren, reflektieren und Learnings ableiten. Vor der Reform hatten die Lernenden zwar auch Lern- und Leistungsziele, aber sie haben oft «einfach ein bisschen mitgearbeitet». Jetzt müssen sie das Eigenverantwortliche im Berufsalltag viel aktiver leben. Auch die Rolle der Praxisbildenden hat sich verändert: Sie sind heute vielmehr Coaches und Begleiter, sozusagen der/die Trainer/in am Spielfeldrand.
Was war für Dich die grösste Herausforderung bei der Umsetzung der neuen BiVo?
In meiner Funktion bin ich nicht nur Ansprechperson für die Lernenden, sondern auch für die Praxisbildner/innen. Sie in Bezug auf die neuen Ausbildungspläne und Instrumente zu schulen, war nach der Reform ein Riesenjob – vor allem, weil ich selbst noch keine Erfahrung damit hatte. Es ging ja auch darum, sie zu motivieren und ihnen Mut zu machen. Einige konnten gut mit den Unsicherheiten umgehen, andere fanden es schwierig, wenn ich sagen musste «das ist noch nicht klar» oder «da müssen wir jetzt einfach mal abwarten». Die verschiedenen Persönlichkeitstypen gut zu begleiten, war für mich eine Challenge.
Wie sieht Deine Bilanz nach einem Jahr aus: Welche Learnings habt Ihr gemacht? Wo siehst Du Verbesserungspotenzial?
Im Grossen und Ganzen finde ich die Ausbildung nun praxisorientierter. Die Lernenden bringen genau die Kompetenzen mit, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Ebenfalls positiv finde ich das Zusammenspiel von Betrieb, Schule und Überbetrieblichen Kursen. Es funktioniert, dass an allen drei Lernorten die gleiche Handlungskompetenz zur gleichen Zeit vermittelt werden. Allerdings ist die Ausbildung ziemlich komplex aufgebaut und zeitlich eng getaktet. Die Lernenden und Praxisbildner/innen sind gefordert, um all die Aufträge, Qualifikationen, Selbst- und Fremdreflektionen oder Einschätzungen in den Arbeitsalltag einbauen zu können. Vielleicht lässt sich die Organisation noch etwas vereinfachen.
Welche Tipps gibst Du anderen Lehrbetrieben?
Sie sollten den Mut zur Lücke haben und gerade im ersten Jahr etwas grosszügiger sein mit sich selbst nach dem Credo «es funktioniert vielleicht noch nicht alles gut, wir müssen jetzt erst einmal Erfahrungen sammeln.» Im ersten Jahr ist der Initialaufwand für den Betrieb hoch, aber danach können sie wieder davon profitieren. Sie sollten sich gut bei ihren Branchenverbänden informieren, entsprechende Schulungen besuchen und Unterstützung holen, wo nötig. Bei uns in der Branche Öffentliche Verwaltung muss jeder Praxisbildner eine Schulung bezüglich der KV-Reform besuchen.
Du unterrichtest auch Berufsbildnerkurse an der EB Zürich. Ist die KV-Reform ein Thema?
Die KV-Reform fliesst ein, da es KV-spezifische Berufsbildnerkurse sind. Die Teilnehmenden sind dankbar um Inputs und Praxistipps. Die Herausforderung ist, allen Branchen gerecht zu werden. Die Grundstruktur der Ausbildung ist zwar bei allen gleich, aber die Umsetzung ist je nach Branche unterschiedlich.
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Der Blogbeitrag über die KV-Reform ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil beantwortete Regula Kreyenbühl, Bildungsinspektorin beim Mittelschul- und Berufsbildungsamt, unsere Fragen zur Umsetzung der KV-Reform: Hier geht es zum Beitrag