Im August 2022 starteten Swisscom und die Berufsfachschule BBB in Baden das Pilotprojekt «Lernvolution»: Wer das neue Ausbildungsmodell wählt, gestaltet seine Lehre selbst. Rund zwei Jahre nach Projektstart präsentierten Lernende, Lernbegleiter und Kompetenzcoaches ihre Erfahrungen am «Get-together» von EB Connect.
Timmi suchte für seine Ausbildung als Applikationsentwickler einen Betrieb, in dem er nach seinem Tempo arbeiten konnte und nicht nur Vorgaben der Berufschule einhalten musste. Seinen beiden Kolleginnen Jana und Yamina, angehende Mediamatikerinnen, war es sehr wichtig, sich selbständig organisieren und flexibel arbeiten zu können. Seit zwei Jahren absolvieren die drei Jugendlichen bei Swisscom ihre Ausbildung nach dem Modell «Lernvolution». Hier fanden sie, was sie gesuchten hatten: Selbständigkeit, Flexibilität und Eigenverantwortung. Denn sie können selbst entscheiden, welche Module in der Berufsfachschule sie besuchen und bei welchen Projekten sie im Betrieb mitarbeiten wollen. Nur für das erste Semster haben ihre Lernbegleiter/-innen im Betrieb bzw. die Kompetenzcoaches der BBB in Baden die Inhalte festgelegt.
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«Ich stehe mit ganzem Herzen hinter diesem Modell.»
Neues ausprobieren, auch wenn es sich nicht bewährt
Steven Walsh leitet bei Swisscom das Pilotprojekt «Lernvolution». Am Get-together an der EB Zürich berichtet er über die bisher gemachten Erfahrungen. «Das Feedback zu Lernvolution ist sehr positiv», zieht er eine erste Bilanz, nach zwei Jahren möchte er das neue Ausbildungsmodell nicht mehr missen. Mehrheitlich sind die Lernenden mit ihrer Ausbildung zufrieden. Niemand hat die Lehre abgebrochen; es gab lediglich einen Berufswechsel. Wichtig war es, Neues auszuprobieren, auch wenn sich das nicht bewährt. So war anfangs weniger Präsenzunterricht vorgesehen, dieser wurde dann aber auf Wunsch der Lernenden erhöht. Oder sie konnten die Inhalte selbst auswählen, was aber niemand tat.
Aus Praxisbildner/-innen werden Lernbegleiter/-innen
Bei «Lernvolution» veränderte sich die Rolle der Praxisbildner/-innen. Neu stehen sie den Lernenden als Lernbegleiter/-innen zur Seite. Ihre anfängliche Befürchtung, für ihre Aufgabe mehr Aufwand betreiben zu müssen, hat sich nicht bewahrheitet. «Bei Swisscom waren wir schon früher Lernbegleiter», erzählt Caspar Schmutz, Lernbegleiter bei Swisscom. «Für mich hat sich daher nicht viel geändert.» Einzig der Austausch mit der Berufsfachschule gestaltete sich intensiver. «Durch die mehrmaligen Treffen mit den Kompetenzcoaches der BBB in Baden bin ich mittlerweile mit allen per Du.»
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«Die beiden Lernorte reden ganz fest miteinander.»
Die Flexibilität von «Lernvolution» verlangt von den Lernenden ein hohes Mass an Selbstorganisation und Selbstdisziplin. Wenn es damit nicht so richtig klappt, tauscht sich der Swisscom-Lernbegleiter wöchentlich und individuell mit seinen Lernenden aus und erkundigt sich jeweils, was ansteht in der Schule, im Betrieb oder privat. Eine Woche später fragt er nach, wie es gelaufen ist und plant zusammen mit ihnen die neue Woche.
Mit Unsicherheiten umgehen können
Neue, innovative Wege in der Ausbildung zu wählen und mit auftretenden Unsicherheiten umgehen zu können, erfordert Mut. Diesen brachte die Schulleitung der Berufsfachschule BBB in Baden auf, als sie den schulischen Teil von «Lernvolution» übernahm. «Wir hatten vor zwei Jahren kein klar skizziertes Projekt, bei dem von Anfang an schon alles geklärt war», gesteht Jürg Haller von der Schullleitung. Anfangs waren viele Sachen unklar; die Lehrpersonen/Verantwortlichen probierten einfach aus oder justierten nach – bis sie nach Ende des ersten Semesters von den Lernenden und den Lerncoaches die ersten Feedbacks erhielten: Der Start ist gelungen – sie waren auf Kurs!
Kompetenzcoaches in der Berufsfachschule
«Lernvolution» bedeutete auch eine Veränderung für die Berufsschullehrer/-innen der BBB. Wie die Swisscom-Lernbegleiter/-innen mussten sie ihre Rolle überdenken und ändern. Vor allem ein Punkt sei anders, stellt ABU-Kompetenzcoach Alain Burger fest: «Es geht jetzt nicht mehr darum, dass ich Lernenden eine Aufgabe, die sie nicht lösen konnnten, erkläre. Sondern ich frage sie, wie sie vorgegangen sind oder warum etwas nicht funktioniert hat.» Dann erwarte er von seinen Lernenden Vorschläge zu alternativen Vorgehensweisen.
Der Fokus auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden widerspiegelt auch deren Heterogenität, ist Alain Burger überzeugt. Die Selbständigkeit, die «Lernvolution» von den Jugendlichen erfordert, ist für ihn ausserdem eine Generationenfrage: «Jugendliche wissen heute genau, welche Zîele sie erreichen wollen, dazu brauchen sie Eigenmotivation und -antrieb. Damit sie diese entwickeln können, unterstütze und begleite ich sie.»
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«Bildung ist anstrengend, Bildung muss man sich erarbeiten.»
Empfehlung für andere Jugendliche
Seit zwei Jahren sind Timmi, Jana und Jamina erfolgreich mit ihrer Ausbildung unterwegs. Was empfehlen sie anderen Jugendlichen, die sich ebenfalls nach dem Model «Lernvolution» ausbilden lassen möchten? Sie sollten eine hohe Motiviation und Herzblut mitbringen, offen sein für Neues sowie ihre Stärken und Schwächen gut kennen, sind sich die Lernenden einig. Der Umgang mit der Freiheit und der Flexibilität war anfangs für die drei eine Herausforderung, doch wussten sie, dass sie von den Lernbegleitenden und den Kompetenzcoaches auf ihrem Weg bestens unterstützt werden.
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EB Connect bringt beim regelmässig stattfindenden Event «Get-together» die verschiedensten Akteure der Berufsbildung – Betriebe, OdA, Schulen, MBA etc. – zusammen und bietet diesen ein ideale Plattform, sich über innovative Themen und Neuerungen in der Berufsbildung auszutauschen. Der individuelle Ansatz, verbunden mit der Möglichkeit, mit anderen Beteiligten ins Gespräch zu kommen, wird sehr geschätzt.
Der nächste Get-together findet am 7. November 2025 statt. Wir freuen uns auf Ihren Besuch.