Für den Berufskundeunterricht der Köche setzte die Allgemeine Berufsschule Zürich eine virtuelle Lernsequenz um. Bei der Konzeption standen die Experten von EB Digital dem Projektteam beratend zur Seite.
2022 war das Metaverse in aller Munde und zahlreiche Firmen und Organisationen erwarben Grundstücke in der virtuellen Welt. Da war es naheliegend, die Möglichkeiten auszuloten, welche Virtual Reality (VR) für die Berufsbildung bietet. Im Rahmen des Innovationsprojekts «Metaverse, der vierte Lernort» setzte sich das Team von EB Digital gemeinsam mit Lehrpersonen aus verschiedenen Berufsfachschulen mit Fragen auseinander wie: Welche VR-Anwendungen eignen sich für den Unterricht? Wie können Lernende beim Lernen mit VR unterstützt werden? Ein zentrales Thema dabei war, wie sich virtuelle Umgebungen selbst gestalten lassen – einerseits mit vorgefertigten Produkten, anderseits mit eigenen Mitteln, immer mit dem Ziel, den Aufwand in einem vertretbaren Rahmen zu halten. Rasch wurde klar, dass sich diese Fragen am besten anhand einer konkreten Aufgabestellung beantworten lassen. Zwei Mitglieder des Projektteams aus der Allgemeinen Berufsschule Zürich (ABZ) entschlossen sich daher, in einem Folgeprojekt eine VR-Lernsequenz für angehende Köchinnen und Köche zu gestalten.
Die Vision: Köchinnen und Köche arbeiten in den unterschiedlichsten Betrieben – von der Quartierbeiz über das Altersheim bis zum Fünfsternehotel. Ihre tägliche Arbeitsumgebung und Arbeitsschritte können sehr unterschiedlich aussehen. Während in kleinen Betrieben bestimmte Tätigkeiten einfach strukturiert sind, unterliegen sie in Grossbetrieben ganzen Abläufen. Doch Lernende haben oft Mühe, sich in ein Arbeitsumfeld einzudenken, das sich von ihrem Ausbildungsbetrieb unterscheidet. Hier kann VR mit einem immersiven Erlebnis Abhilfe schaffen: Die Lernenden sollen durch Küchen, Lagerräume und Kühlräume verschiedener Betriebe streifen und genau das betrachten, was sie interessiert. Sie sollen in der virtuellen Welt verschiedene Abläufe erleben und selbst interagieren können.
Von der Vision zum Konzept – Planung als Erfolgsfaktor
Für das Konzept holten die Projektverantwortlichen EB Digital mit an Bord. Rasch stellte sich heraus, dass eine solch umfassende Lernumgebung mit den verfügbaren Ressourcen nicht realisierbar war. Daher beschränkten sich die Experten auf die Abbildung eines einzigen Betriebes und analysierten diverse Lernsituationen hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit aus didaktischer, technischer und organisatorischer Sicht. Schliesslich entschieden sie sich, die Warenannahme in einem Fünfsternehotel digital abzubilden. Dies hatte in erster Linie praktische Gründe: Zum einen ist die Warenannahme räumlich abtrennbar, so dass der laufende Küchenbetrieb während der benötigten Filmaufnahmen nicht beeinträchtigt wurde. Zum anderen sind die Lernziele klar: Jede/r Lernende muss den Prozess der Warenannahme kennen.
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«Durch sorgfältige Kombination von vorgefertigten Bausteinen mit individuellen Elementen lassen sich mit vertretbarem Aufwand attraktive VR-basierte Lerneinheiten bereitstellen.»
Eine weitere Eingrenzung betraf die Gestaltung des virtuellen Raums: Eine komplett interaktive Umgebung zu erstellen, ist mit viel Programmierarbeit verbunden. Daher entwarf das Projektteam eine 360°-Panoramatour, bei der die grösste Arbeit die Aufnahmen der Räumlichkeiten mit geeigneten Kameras darstellt. Ergänzt wird die Tour durch 3D-Filme, die bestimmte Arbeiten und Abläufe zeigen wie etwa die Annahme einer Lieferung von Frischfisch. Durch die VR-Brille kann der User jederzeit wählen zwischen der Perspektive eines Beobachters und derjenigen der ausführenden Person. Diese immersiven Episoden wurden im Anschluss mit interaktiven Elementen wie Menüs und Fragen angereichert. Für die technische Umsetzung zeichnete das Forschungsteam der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung (EHB) verantwortlich.
Bei der Konzeption eines VR-Projekts für Schulen sind laut Christian Flury von EB Digital zwei Fragen zentral: Wie lässt sich die Lernsequenz mit überschaubarem Aufwand umsetzen? Welche Gestaltungsmöglichkeiten hat die Lehrperson, ohne dass Spezialisten beigezogen werden müssen? «Ähnlich wie bei Filmaufnahmen sind neben der Produktion auch die Vorbereitung – zum Beispiel das Erstellen eines Drehbuchs – wie die Nachbereitung zeitintensiv. Daher sollte man so weit wie möglich auf Standardbausteine zurückgreifen.» Am aufwändigsten sei das Einbauen von Interaktionen: Alle Handlungsmöglichkeiten der virtuellen Person müssen präzise entworfen und in den meisten Fällen von einem Spezialisten programmiert werden. «Hier gilt es, einen gangbaren Kompromiss zwischen Qualität und Aufwand zu finden.»
Einsatz im Klassenzimmer und Wirksamkeit
Rund 170 Auszubildende im zweiten Lehrjahr testeten die Anwendung im Klassenzimmer. Durch die VR-Brille nahmen sie Waren vom Lieferanten entgegen, prüften die Lebensmittel und dokumentierten den Wareneingang. Etwa zwei Drittel fanden es cool und können sich vorstellen, punktuell mit VR zu lernen. Andere hatten mehr erwartet – vor allem die Gamer, die aufwändigere technische Umsetzungen gewohnt sind. Dann gab es auch solche, die sagten, es ist nichts für mich, weil sie das Tragen der Brille ermüdete.
Doch können sich Lernende, die eine Situation mit VR üben, besser an das Gelernte erinnern? Und wie lange hält der Lernerfolg an? Das EHB überprüfte die Lernwirksamkeit anhand einer vom Verein BeLEARN unterstützten wissenschaftlichen Studie, an der 137 Kochlehrlinge teilnahmen. Das Fazit: Beim unmittelbaren Erinnern deuten die Ergebnisse auf einen Vorteil der VR-Methode hin. Ob dies auch auf das langfristige Gedächtnis zutrifft, lässt sich noch nicht beurteilen. Dazu sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Ansicht durch die VR-Brille:
Weiterführende Informationen
EB Digital unterstützt Bildungsfachleute bei der Konzeption, Realisierung und Durchführung von VR-Projekten. Im Spatial Computing Lab können Lehrpersonen VR-Lerneinheiten mit ihren Klassen durchführen oder eigene Lerneinheiten erarbeiten. Dabei steht die gesamte technische Ausrüstung inkl. Support zur Verfügung.